Bleibet hier und wachet mit mir!

Glasfenster in der Wallfahrtskirche Heede/Emsland (c) H. Löwenstein

Meditationen zur Ölbergstunde am Gründonnerstag-Abend

Begrüßungswort:

Am Gründonnerstag sind Sie herzlich eingeladen, eine Zeit der Besinnung in Ihren Tagesablauf einzuplanen. Vielleicht wollen Sie zu diesen Texten leise meditative Musik im Hintergrund einschalten.

Bilder und Texte können uns helfen, wachend und betend uns selbst zu finden; denn wer nicht bei sich selber ist, wird in dieser Nacht der Todesangst kaum ganz bei Jesus, unserem Bruder und Herrn, sein können. Alles Laute soll verstummen, damit wir innerlich gesammelt und still werden.

Sie haben sich bereit gemacht, mit Jesus und den Jüngern „auf die andere Seite des Baches Kidron” zum Ölberg zu gehen (vgl. Joh 18,1).
Wir wollen wachen und beten.

1. Einheit

Hinführung:
Wer über seine eigene Lebensgeschichte nachdenkt oder das Leben seiner Mitmenschen anschaut, wird sagen können: Mein Leben ist wie ein ständiges Unterwegssein. Zeiten und Orte wechseln; kein Tag ist wie der andere. Begegnungen mit anderen Menschen können Veränderung bewirken. Unvorhergesehene Ereignisse treten ein, werfen Probleme auf oder lösen Konflikte. Manche Geschehnisse können dem Leben von einem Tag zum andern eine völlig neue Richtung geben. Kennen Sie das auch? Manche Wegstrecke auf dem Lebensweg geht man leicht und unbeschwert. Aber gibt es nicht in jeder Lebensgeschichte auch den einen oder anderen Streckenabschnitt, der das Leben zu einem Leidensweg macht?

Versuchen wir also in dieser Stunde, mit unserer je eigenen Lebensgeschichte wachend und betend ganz bei Jesus zu sein. Doch ehe wir mit dem Herrn zum Garten Gethsemane aufbrechen, wollen wir uns noch einmal jene erschütternde Szene vor Augen führen, die unmittelbar vorausgegangen ist: Alles, was die Jünger von Jesus gehört und gesehen haben, verdichtet sich wie in einem Brennpunkt: Der Herr beugt sich herab, kniet vor ihnen nieder, um ihnen die Füße zu waschen. - „Ich habe euch ein Beispiel gegeben."

Bildbetrachtung: Fußwaschung (s. oben, unterer Bildabschnitt)

In einer monumentalen Glaswand, die biblische Bilder des Alten und des Neuen Testamentes zeigt, hat der Künstler bewusst „ganz unten” die Szene der Fußwaschung dargestellt; tiefer kann Gott nicht herabsteigen. Rot, die Farbe der Liebe, umschließt die Figuren. Jesus, „ganz unten” im Bild, kniet vor Petrus nieder. - Oder bin ich der Mensch, vor dem Jesus kniet?

Aus dem Evangelium nach Johannes (Joh 13,4-15)

Sie feierten miteinander das Passahmahl. Während des Essens erhob sich Jesus vom Tisch, legte sein Obergewand ab und band sich eine Schürze um. Dann goss er Wasser in ein Becken und fing an, seinen Begleitern die Füße zu waschen und sie mit der Schürze zu trocknen (wie damals die Sklaven taten). Als er zu Petrus kam, wehrte der sich: „Was soll das? Du willst mir die Füße waschen?” Jesus antwortete: „Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht. Später wirst du es verstehen.” Aber Petrus redete weiter: „Auf keinen Fall sollst du mir die Füße waschen! Niemals!” „Wenn ich das nicht tue,” erwiderte Jesus, „gehörst du nicht zu mir.” Da redete Petrus plötzlich ganz anders: „Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!” „Wer schon gewaschen ist”, erwiderte Jesus, „braucht nur noch das Zeichen, dass ich ihm die Füße wasche, der ganze Mensch ist ja schon rein. Ihr seid rein, freilich - nicht alle.” Er wusste, wer ihn verraten würde, darum sagte er: „Ihr seid nicht alle rein.”

Als er ihnen die Füße gewaschen hatte, legte er wieder sein Gewand um und ließ sich auf die Polster nieder. „Wisst ihr”, fragte er, „was das bedeutete? Ihr nennt mich ,Meister’ und  ,Herr’. Das ist richtig, ich bin es. Wie ich aber als euer Herr und Meister euch die Füße gewaschen habe, so sollt ihr einander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben für das, was ihr tun sollt.”

Impulsfragen, in die leise Musik hineingesprochen:

Nehme ich das Zeichen der Liebe Jesu an ...? 
Bin ich bereit, anderen „die Füße zu waschen”?
 Wehre ich mich dagegen - wie Petrus ...?

Stille

2. Einheit
Hinführender Text:

Jesus geht zum Ölberg, zum Garten Gethsemane.
Es ist ein Weg von bedrückender Einsamkeit, obwohl die Apostel ihn begleiten und mitgehen. -
Es ist ein Weg der Versuchung: Alles hinwerfen? - Alles aufgeben? - Wieder „in das Leben” zurückkehren? -
Es ist ein Weg in die Dunkelheit ...
ein Weg mit schrecklichem Ausgang (nicht wie oft vorgegeben - mit Happy end).

Bildbetrachtung: Gethsemane (s. oben, oberer Bildteil)

Der Künstler hat die Fußwaschung und die Szene am Ölberg zu einem Bild vereinigt, obwohl das Johannes-Evangelium, das als einziges von der Fußwaschung berichtet, über Jesu Todesangst im Garten Gethsemane schweigt. Fromme Fantasie mag sich auszumalen versuchen, welche Todesängste Jesus durchlitten hat. - Bei der Gestaltung des Glasfensters hat der Künstler sich offensichtlich an der Darstellung des Lukas-Evangeliums orientiert; denn weder Matthäus noch Markus erzählen von der Erscheinung eines Engels.

Jesus kniet da im hellen Lichtglanz, die Hände zum Gebet erhoben. Eine Engelsgestalt reicht ihm die Schale, den Becher der Leiden und des Todes.

In nahezu farbloses Dunkel gehüllt, verschlafen die Jünger den dramatischen Augenblick. Dreimal findet Jesus sie schlafend.

Wenn ich entscheidenden Lebenssituationen zu entkommen glaube, indem ich mich herauszuhalten versuche und in den Schlaf flüchte, wo wache Aufmerksamkeit geboten, wo Handlungsbedarf vonnöten ist, bereite ich mir möglicherweise selbst schlimme „Lebensängste”, die mir früher oder später den Schlaf rauben werden.

Stille

Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 26,36-46)

Jesus ging mit ihnen zu einem kleinen Landgut, das in einem Garten lag und Gethsemane hieß. Dort sagte er zu seinen Freunden: „Setzt euch hier nieder. Ich will dort hinübergehen und beten.” Und er nahm Petrus, Johannes und Jakobus mit sich, fing an zu trauern und sich zu ängstigen und sprach: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. Bleibt hier und wacht mit mir!” Dann ging er ein paar Schritte weit, sank auf die Erde und betete, auf der Erde liegend: „Mein Vater, wenn es möglich ist, lass das Entsetzliche an mir vorübergehen! Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.” Und er kam zu seinen Freunden zurück, traf sie schlafend an und weckte Petrus: „Könnt ihr nicht eine Stunde mit mir wachen? Wacht und betet, dass euch die Macht der Finsternis nicht überwältigt. Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach.”

Noch ein zweites Mal ging Jesus weg und betete: „Mein Vater, wenn es keinen Ausweg gibt, soll dein Wille geschehen!” Als er wieder zurückkam, traf er seine Freunde schlafend an und so müde, dass sie kaum die Augen öffnen konnten. Da ließ er sie, ging wieder weg und betete zum dritten Mal mit denselben Worten. Schließlich kam er zu den Freunden zurück und weckte sie. „Schlaft ein andermal! Ruht ein andermal aus! Es ist soweit. Die Menschen kommen und greifen nach mir. Steht auf! Wir gehen! Der Verräter ist da.”

Meditative Musik

ausgewählte „Aktuelle Tatsachenberichte” in Schlagzeilen als Impulse zum Nachdenken.

 

Impulsfragen dazu:
Wie gehe ich damit um? Wie reagiere ich auf „unvorhergesehene Nachrichten”...?
Kenne ich Menschen, die in „Dunkelheiten” oder im „Todesschatten”leben ...? -
Wie stehe ich zu ihnen ...?
Bin ich nicht selbst oft versucht, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen...?

Stille

3. Einheit
Hinführender Text:

Jesus hätte jeder Konfrontation aus dem Weg gehen können ...
Er hätte ein (nach unseren Vorstellungen) „normales Leben” führen können ... 
Er hat verzichtet, um uns allen ein Leben in Freiheit zu ermöglichen ...
Er holte sich die Kraft dazu aus seiner unvergleichlichen Gottesbeziehung, aus seiner Abba-Erfahrung.
„Nicht wie ich will, sondern wie du willst.”

Gebet:

Jesus, in dieser Nacht hattest du deine letzte Chance, zu fliehen oder vor den Mächtigen klein beizugeben. Es wäre so einfach gewesen, zurückzukehren in das bürgerliche Leben eines Zimmermanns, zu heiraten, eine Familie zu gründen ...

Die Enttäuschung der Jünger wäre vergangen, der eine oder andere sogar froh gewesen, der Auseinandersetzung mit den Mächtigen auszuweichen.

Doch du hast auf deine letzte Chance verzichtet, um uns alle Chancen einzuräumen. Zeige uns immer wieder Wege zu dir und den Menschen, die uns brauchen, und gib uns die Kraft, sie zu gehen. Amen.

(Entnommen dem Heft: „Eine Stunde mit ihm wachen ...”,
Bildbetrachtungen und Gebetstexte zur Gründonnerstagsnacht von Michael Tillmann, Bergmoser & Höller Verlag, Aachen).